Freitag, 14. September 2012

Die Sache mit den Shades of Grey

Heute habe ich in der S-Bahn drei Frauen verschiedenster Altersstufen mit dem neuen Shades of Grey Buch in der Hand gesehen. Ich selbst habe es noch nicht gelesen. Nicht, weil ich nicht wollte, sondern viel mehr, weil mein knapp bemessenes Budget erleichtert aufatmet, wenn meine hochverehrte Mitbewohnerin die zwei bisher in Deutschland erschienenen Romane im Regal zu stehen hat. Ich warte sozusagen nur noch auf ihre Freigabe.

Dass eine 15-jährige sich dieses Buch zugelegt hat und sich kichernd darüber beugt in der Hoffnung, niemand würde es entdecken, schiebe ich jetzt mal auf ihre pubertäre Neugier gemischt mit einer großen Portion ernsthaftem Interesse an Sexualität. Immerhin muss man sich ja mit den Freundinnen in der Hofpause über den neuesten Bestseller unterhalten können. Und wenn gerade kein neues Bis(s) Buch auf dem Markt umherschwirrt, studiert man voller Wissensdurst die ‘Erwachsenenliteratur’. Verständlich, wenn auf für mich etwas befremdlich.

Bei der Mittzwanzigerin ist es wohl zum Einen der it-Faktor des Schmuddelromans, der sie dazu getrieben hat, knapp 20 Euro für SM-Erlebnisse einer jungen Studentin auszugeben. Oder sie ist Bloggerin und will über das Buch schreiben. (Sicher!). Zum Anderen hat sie es aber sicherlich auch mitgenommen, um sich Anregungen zu holen. Um ihrem Liebsten zu Hause zu beweisen, dass sie ein ganz wildes Kätzchen ist. (Klappt ganz bestimmt!)

Die Endfünfzigerin hingegen versinkt beim Lesen förmlich in der Geschichtte. Man kann es ihren schelmisch strahlenden Augen beim Umblättern ansehen. Es ist, als wäre das Buch nur für sie geschrieben worden. Als würde sie sagen: Danke Frau James für dieses kleine Stück aus meiner Vergangenheit. Sie sieht aus wie die ältere Variante der Protagonistin. Ich konnte meine Blicke kaum von ihr abwenden. Nicht, weil sie so attraktiv war, sonder weil sie beim Lesen eben so aussah, wie sich jeder Autor seine Leser auszusehen wünscht. Glücklich, ganz tief versunken und höchstwahrscheinlich eine der ersten Käuferinnen des nächsten Teils der Reihe.

Faszinierend, wie ein so kontroverses Buch die Massen in seinen Bann zieht. Und vor Allem faszinierend, wie viele verschiedene Menschen ihre Neugierde über ihr Schamgefühl dem Buchverkäufer gegenüber siegen lassen. Ich könnte wetten, es gibt auch einige Männer, die sich den Schinken heimlich bei amazon.de bestellt und dann verschlungen haben.

Seit Charlotte Roche gehört es eben zum guten Ton, versaute Büchlein mit seichter Story im Hintergrund und mehr oder weniger weltbewegenden Moralen zu veröffentlichen, sich dafür feiern zu lassen und dann sang- und klanglos in der Versenkung zu verschwinden um Jahre später vielleicht noch ein zwei andere ‘Skandal’-Bücher zu schreiben.

Sollen sie doch machen. Aber wenn ich ganz ehrlich bin, gibt es für mich noch einen weiteren Grund, Shades of Grey noch nicht gelesen zu haben. Mein Unterbewusstsein weigert sich vehement dagegen, einen Sebastian Fitzek beiseite zu legen um sich dann mit voller Aufmerksamkeit einem Buch zu widmen, bei dem weder Inhalt noch Schreibstil für mich ansprechend sind, nur, um dann darüber reden zu können.

Aber wie ich mich kenne, wird auch meine äußerst ausgeprägte Neugier mich bald den Fitzek ablegen lassen und mich an Lisas Bücherregal treiben. Und wenn es nur ist, um darüber reden zu können, dann ist es so. Verdammt, immer dieser Gruppenzwang ;)

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